"Der Dürre-Sommer lenkt den Blick auf gravierende Strukturunterschiede"

Kommentar von Dirk Gieschen, Geschäftsführer GMC Marketing GmbH

Für die deutsche Landwirtschaft wird das Erntejahr 2018 in die Geschichte eingehen – als der Dürre-Sommer, in dem nicht nur die Ernte in vielen Regionen ein Desaster war, sondern auch die Diskussion darüber. Die frühzeitig gestellte Forderung des DBV-Präsidenten Joachim Rukwied „Eine Milliarde wäre wünschenswert, um die Ausfälle auszugleichen“, führte zu einer Kritikwelle sowohl seitens der Politik, NGOs und Medien als auch aus den eigenen Reihen. Damit gerieten die grundsätzlichen regionalen Unterschiede der Situation der Landwirtschaft in Deutschland völlig aus dem Blickfeld der Diskussion.

Steilvorlage für perfektes Eigentor
Die Milliarden-Forderung geriet zur Steilvorlage für die allseits bekannten Agrarkritiker. Diese nutzten im medialen Sommerloch die Gelegenheit, über die vermeintliche Kausalkette „Für Klimawandel und Dürre ist die konventionelle Landwirtschaft selbst verantwortlich“ die moderne Landwirtschaft zu kritisieren und so die eigene Profilierung voranzutreiben. In der Summe ein klassisches mediales Eigentor des Bauernverbandes.

Erste Erntemeldung traf zu
In den Medien wurde nur noch über die Milliarden-Forderung berichtet und diskutiert. Dass die grundsätzliche Einschätzung der ersten Erntemeldung des DBV am 18. Juli die regional sehr unterschiedliche Situation sowohl nach Regionen differenziert als auch für jeden, der genauer hingeschaut hat, sehr zutreffend abbildete, geriet völlig in den Hintergrund. Letztendlich haben sich durch die noch weitere vier Wochen anhaltende Trockenheit die Einschätzungen nicht nur bestätigt, sondern sind in vielen Regionen noch drastischer ausgefallen. Neuere Schätzungen der monetären Ernteausfälle gehen sogar von drei Milliarden Euro aus.

Wasser schafft Gewinner
Klar ist auch: Dort, wo die Wetterbedingungen günstiger waren, die Standorte naturbedingt dichter am Grundwasser standen und besonders in Beregnungsbetrieben werden dagegen ganz passable Ernten eingefahren. Diese Betriebe sind die Gewinner des Jahres 2018. Denn natürlich sind die Preise für viele Produkte deutlich gestiegen. Das hilft aber eben nur jenen Landwirten, die auch tatsächlich gute Qualitäten ernten konnten – diesen Aspekt vergessen Kritiker oft.

Wie ist die Lage tatsächlich?
Bei den Ertragsausfällen gibt es ein klares Gefälle von Nord und Ost gen Süddeutschland – die klassischen „Sandkisten“, also Standorte mit leichten Böden in Niedersachsen, Teilen Schleswig-Holsteins, Mecklenburg-Vorpommerns, Brandenburgs und Sachsen-Anhalts, sind am schlimmsten betroffen. Nur im Südwesten wird es wohl kaum Anträge auf Dürrehilfen geben, denn dort spielen Obst und Wein zumindest optisch die größere Rolle und hier lief es deutlich besser als bei den klassischen Feldfrüchten.

Gravierend ist die Lage auf dem Grünland. Dort fielen vielerorts der zweite und dritte Schnitt sehr mager oder sogar völlig aus. Hier fehlen nicht Prozentanteile an der Ernte, sondern ganze Silagestapel können nicht angelegt werden. Schlimm sieht es teilweise beim Getreide aus, wo es Regionen mit Ernteausfällen von oft deutlich mehr als 50 Prozent gibt. Noch schlechter sieht es bei den Maisbeständen aus. Vielfach ist der Mais schon frühzeitig vertrocknet, oft wurde gar kein vernünftiger Kolben ausgebildet.

Futter wird sehr knapp
Vielerorts wird im Grunde kein Mais gehäckselt, sondern Maisstroh gepresst. Gegenüber dem, was Rindviehhalter und die Betreiber von Biogasanlagen eigentlich an Mengen und vor allem Qualitäten mit ordentlichen Inhaltsstoffen benötigen, ist das, was geerntet wird, oft ein Totalausfall. Futter für die Tiere und Rohstoff für die Anlagen wird knapp, der überregionale Handel beginnt zu blühen.

Struktur-Unterschiede treten zu Tage
Die Dürre macht jetzt grundsätzliche Dinge sichtbar: Wer in den Dürre-Monaten durch die Lande gefahren ist, konnte wieder erkennen, wie unterschiedlich die Situation der Landwirtschaft in Deutschland auch 2018 noch ist. Die teilweise nur kniehohen, selten mannshohen Maisbestände machten den Blick frei auf die völlig unterschiedlich aufgestellten Betriebe im Norden, im Osten, in der Mitte Deutschlands und in den verschiedenen Regionen Süddeutschlands. Einmal mehr wird in diesen Wochen klar: Es gibt nicht „die Landwirtschaft“ in Deutschland. Und so unterschiedlich wird dieses Jahr 2018 auch die Betriebe treffen.

Nach der Krise gut aufgestellt
Moderne Betriebe im Norden, die in den letzten Jahren investiert und ihre Höfe, Ställe und Maschinenparks auf den neusten Stand gebracht haben, werden dieses Jahr anders wegstecken als die Kollegen, die noch viel Nachholbedarf haben. Große norddeutsche Milchviehbetriebe, die finanziell noch unter den Folgen der Milchpreiskrise 2015/2016 leiden, haben sicherlich einen besonders schweren Stand. Gelingt ihnen die Überbrückung möglicher Engpässe, dann sind diese nach dem aktuellen „Stand der Technik“ ausgestatteten Betriebe aber eben grundsätzlich viel aufgestellt als die Kollegen im Süden und im Osten, die noch immer Kühe in der Anbindung halten.

Wer hat alles richtig gemacht?
Die akute Belastung der Betriebe, die im Stall und auf dem Acker sehr gut aufgestellt sind, ist durch die Investitionen oft sehr hoch. Strategisch haben sie aber im Vergleich zu Höfen, die produktionstechnisch noch nach und mit alten „Modellen“ arbeiten, fast alles richtig gemacht. Es bleibt die Frage, ob rückständige Strukturen, alte Ställe und alte Maschinenparks noch rechtzeitig modernisiert werden können, bevor die wachsenden Anforderungen von Bevölkerung und Politik das weitere Wirtschaften uninteressant oder sogar unmöglich machen.

Zögern wird zum Risiko
Schon jetzt sind Stallbauten immer schwieriger durchsetzbar, das wird in zehn Jahren nicht besser sein. Das Risiko, zum Auslaufmodell zu werden, wächst damit für diejenigen, die zögern. Spätestens im Generationswechsel kann es dann zum bösen Erwachen kommen, wenn guten Nachfolgern die Möglichkeit zum Einstieg durch das Nicht-Handeln der derzeit wirtschaftenden Generation verbaut ist.

Was können Lieferanten tun?
Trockenheit und Missernte sind zwar vielerorts Realität, doch das Geschäft geht weiter. Wichtig ist in der heutigen Situation, dass Lieferanten und Partner von der Industrie über Handel bis zu den Werkstätten und Finanzpartnern die extremen Unterschiede in der Situation der Landwirtschaft in Deutschland erkennen. Die Unterschiede betreffen nicht nur die Ernte. Sie sind zwischen den Betriebszweigen und den Regionen sowie zwischen den Betriebstypen und der aktuellen wirtschaftlichen Situation so gravierend, dass ein Einheitsblick jede Geschäftschance abtöten wird. Nur auf die Dürre zu schauen und stumpf die offene Rechnung zu mahnen oder Druck auf Bestellungen und Abschlüsse zu machen, wird sich schnell rächen. Solche Partner will kein Landwirt mehr.

Strategisches „Aus“ droht
Wer sich als Marketing- oder Vertriebsleiter heute nicht auf stark differenzierte Kundensegmentierungen einlässt, sondern nur nach Familienbetrieben und Gesellschaften oder nach der Stallgröße differenziert, wird sich als Verantwortlicher ins strategische „Aus“ kicken. Das Wissen um die individuelle Situation des landwirtschaftlichen Kunden wird für Entscheider zum wichtigsten Erfolgsfaktor. Nur damit können individuelle Lösungen angeboten und damit weiteren Geschäften der Weg bereitet werden.

Kundentypen genau analysieren
Welche Kundentypen habe ich in meiner Kundschaft und unter meinen Zielkunden? Wie ist deren aktuelle Situation? Was bewegt sie, was belastet sie? Wem muss ich wie helfen, damit ich nicht nur kurzfristig etwas verkaufe, sondern eine langfristige Kundenbeziehung aufbaue und pflege? Eigentlich steinalte Marketing-Weisheiten, nur 2018 sind sie wichtiger denn je. Deren Analyse muss viel schneller und viel individueller als in den Jahren und Jahrzehnten zuvor gemacht und umgesetzt werden. Die Dürre 2018 sorgt so im gesamten Agrarsektor für extremen Handlungsbedarf in Vertrieb und Marketing – und die Zeit drängt.

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